Stefanie Kießling …Die Gästebücher der Bamberger Naturfreundehäuser

Ein wesentlicher Zweck der Naturfreundehäuser war es, auch weniger Betuchten die Gelegenheit zu Urlaub zu bieten. Stefanie Kießling untersucht anhand ausgewählter Hüttenverzeichnisse der Ortsgruppe Bamberg Veränderungen im touristischen Profil der Hausgäste.

Die „grünen Roten“ auf Reisen. Eine Analyse der Gästebücher des Touristenvereins Die Naturfreunde Bamberg zwischen 1932 und 1998

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Mobilität und Reisen seien Zeichen des modernen Menschen, des Zeitalters der Moderne schlechthin, so wird oft postuliert. Besonders die Errungenschaften der Industrialisierung, zum Beispiel der Eisenbahnbau, habe einerseits den lebensweltlichen Aktionsradius erweitert und andererseits breiten Bevölkerungsschichten ermöglicht zu reisen.[1]

Als ein Schritt in Richtung Massenmobilisierung und Massentourismus[2] kann der Zusammenschluss von Menschen in touristischen Vereinen gesehen werden. Die Naturfreunde verstehen sich als einer davon. Sie waren – zumindest in ihrer Entstehung – proletarisch und sozialdemokratisch geprägt. Mit der Idee des „sozialen Wanderns“[3] wurden vor allem die Industriearbeiter angesprochen, welche mittels Naturerfahrung aus dem Grau der Städte herausgelockt und von den Belastungen des Arbeitsalltags Erholung finden sollten.

Die Geschichte der Naturfreundebewegung im Lichte der Arbeiterbewegung und des Tourismus ist auf einer generellen, überregionalen Ebene gut erforscht und oft beschrieben worden.[4] Darüber hinaus scheint es interessant nachzuzeichnen, wie die Naturfreunde vor Ort, also in den zahlreichen Ortsvereinen und unter ihren jeweils spezifischen Lebensbedingungen reisten. Fragen nach der Altersstruktur, nach den Reisezielen und der Reisedauer vermögen Aufschluss über den Aktionsradius der Mitglieder zu geben und damit das Reiseverhalten induktiv zu erschließen.

Eine verheißungsvolle Quellengattung für eine solche Herangehensweise stellen die bisher wissenschaftlich weitgehend verkannten Gästebücher der Naturfreundehäuser dar. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung war es mir möglich, auf den Aktenbestand der Bamberger Naturfreunde zurückzugreifen. Ich befragte verschiedene Jahrgänge auf Herkunft, Aufenthaltsdauer oder Sozialstruktur der dort vermerkten Personen. Diese Eingrenzung in der Breite ermöglichte mir, in der Tiefe nicht nur das Reisen der Naturfreunde zu betrachten, sondern darüber hinaus die verschiedenen Erkenntnisdimensionen derartiger Quellen aufzuzeigen.

Dazu wertete ich die quantitativen Daten zunächst deskriptiv aus, um sie sodann einer hermeneutischen Textinterpretation zu unterziehen. Der Empfehlung Ueli Gyrs, dass in der Tourismusforschung quantitative und qualitative Erhebungen „in gemischter Zusammensetzung Anwendung finden“[5] sollten, konnte ich somit folgen.

Schwierigkeiten bestanden insofern, als zum einen die Quellengattung methodologisch weitgehend unerforscht ist. Zum anderen ist es mir nicht gelungen, eindeutige Antworten auf alle der zahlreichen implizierten Fragen zu geben – sofern ein solcher Anspruch überhaupt realisierbar ist. Da sowohl die „Diskussionen über eine theoretische Fassung und empirische Erfassung von Unternehmens- und Arbeitskultur“[6] unabgeschlossen sind, als auch „keine umfassende Theorie zum Tourismus, die allen Erscheinungsformen und -funktionen gerecht wird“[7], existiert, ist dieser Beitrag als der Versuch einer Auseinandersetzung mit einer – zumindest für mich neuen – Quellengattung und ihrem Erkenntnispotenzial zu verstehen. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Jahrgänge 1932, 1957, 1977 und 1998 der Gästebücher, von denen aus streiflichtartig Fragen nach Übernachtungsdauer, Reisezeiten, Herkunft und Sozialstruktur der Gäste behandelt und Interpretationsmöglichkeiten angeboten werden. Dem voran steht ein kulturwissenschaftlicher Blick auf den Verein.

1. Die Naturfreunde als touristischer Verein

Die Naturfreunde entstanden einerseits aus dem Bedürfnis nach Naturerfahrung, anderseits aus der zaghaft zunehmenden Freizeit der Arbeiterschaft (Verringerung der täglichen Arbeitszeit und Urlaubsanspruch ab der Wende zum 20. Jahrhundert[8]). Da die Partizipation an bestehenden bürgerlichen Wandervereinen erschwert, wenn nicht gar unmöglich war, gründete ein kleiner Kreis 1895 einen ersten Verein innerhalb des sozialdemokratischen Milieus.[9] Oft wird argumentiert, dass die Anhänger, vornehmlich die Industriearbeiter, mittels Naturerfahrung Regeneration vom Arbeitsalltag und dem Leben in den beengten Wohnverhältnissen der Arbeitersiedlung erfahren sollten.[10] Doch wäre es verkürzt, wie Peter Assion zu bedenken gibt, „den Arbeiter als Opfer der Ausbeutung am Arbeitsplatz“ und sein Reisen allein als Zwang „zur Reproduktion der Arbeitskraft in der Freizeit zu beschreiben“[11]. Schließlich war es ein Erfolgsrezept der Naturfreunde, dass sie sich nicht nur auf das Wandern beschränkten, sondern zu einem Verein für die gesamte Familie wurden, in dem verschiedene Generationen in diversen Sektionen ihren Interessen nachgehen konnten. Außerdem gelang es dem Verein, das Alltagsleben und das politische Leben zu vereinen.[12] Im Unterschied zu den Alpenvereinen betätigten sich die Naturfreunde gezielter im Hüttenbau in der nahen Lebensumgebung. Daher ist davon auszugehen, dass die Naturfreunde zumindest von ihren Anfängen bis zur zunehmenden Massenmobilisierung durch Moped, Motorrad und Auto in angemessener Wanderentfernung zu ihrem Ortsverein blieben oder solche Hütten aufsuchten, die gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen waren.

Neben der angesprochenen Opferrolle des Arbeiters kann der Aussagewert einer rein theoretischen Einordnung der Naturfreundereisen als Kompensationsstrategie in Frage gestellt werden. Denn wenn sie die Belastungen des Alltages mittels Aufenthalten in der Natur – die ihrerseits wiederum zu einer bestimmten Art des Alltags werden – zu kompensieren trachteten, so ist dies, um mit Konrad Köstlin zu sprechen, „eine höchst normale und zutiefst humane Praxis“[13]. Der wissenschaftliche Gewinn einer solchen Verkürzung scheint marginal, denn so „lernen Menschen, die unter irgendeiner Entfremdung leiden, auch wieder zu leben und sich neue Felder zu suchen, in denen sie […] mit Konstruktionen der Nähe operieren.[14]

Die Einordnung in die Tourismusgeschichte vermag hingegen aufzuzeigen, dass mit dem Wirken der Naturfreunde ein Grundstein zum Massentourismus gelegt wurde – nämlich dass trotz eines kleinen Budgets nun für eine gewisse Zeit verreist werden konnte. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass bereits im 18. und 19. Jahrhundert frühe Formen des proletarischen Reisens existierten. Es wäre falsch, „Tourismus auf ein Phänomen zu reduzieren, das sich erst in den höheren und höchsten Sozialschichten ausbildete, ehe es sich allmählich nach unten verbreitete“[15]. Tages- bzw. Wochenendausflüge, die an „zeitweise hundert religiösen, jährlich wiederkehrenden Feiertagen“[16] oder an den Blauen Montagen der Handwerksgesellen unternommen wurden, zeugen davon, dass proletarische Freizeit und proletarisches Reisen nicht erst im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden sind. Die Theorie vom gesunkenen Kulturgut, dass also das proletarische Reisen durch das oberschichtliche entstanden sei, „stützt sich zu einseitig auf die touristische Vorbildfunktion der Aristokratie und des Großbürgertums und ignoriert die autonomen proletarischen Tourismustraditionen“[17].

Darüber hinaus können die Naturfreunde und mithin alle Wandervereine nicht nur als Anfänge des Massentourismus gesehen werden; vielmehr stellten sie auch eine „Gegenbewegung zu Landflucht und Entvölkerung“[18] dar, in dem der Städter nun die ländlichen Regionen erschloss und touristisch nutzbar machte – wovon sich die ländliche Bevölkerung wiederum ein Zubrot versprechen konnte.

Wie auch immer man die grundsätzlichen Entwicklungen der Naturfreunde kulturwissenschaftlich interpretieren will, haben sie auf der Ebene der Ortsvereine doch immer ein ganz spezifisches Gesicht. Daher lohnt es sich, im Folgenden die Geschichte der Bamberger Gruppe näher zu betrachten.

2. Bamberger Naturfreunde[19]

Die Naturfreunde in Bamberg wurden relativ spät, 1921, gegründet. Dies ist möglicherweise dem Fehlen eines ausgeprägten sozialdemokratischen Milieus in der Domstadt geschuldet. Es gab keine vergleichbar große Industriearbeiterschaft wie im nahegelegenen Nürnberg, das lange Zeit Sitz der Reichsgruppe der Naturfreunde war: Bamberg war – abgesehen von Industriebetrieben wie der spätere ERBA oder der späteren Kaliko – eher mittelständisch geprägt. Weil die Arbeiterschaft der Stadt (worunter im frühen Wortsinne auch die Handwerker und Gesellen fielen) außerdem stark an das katholische Milieu gebunden war, fanden sozialdemokratische Einflüsse wenig Gehör. Darüber hinaus sahen manche ihre Bedürfnisse schon in liberal-demokratischen Vereinen vertreten.[20]

Als Zeichen des wenig verankerten sozialdemokratischen Milieus in Bamberg kann der Umstand gesehen werden, dass die Gründung derartiger Vereine und selbst der örtlichen SDAP durch Agitation von Vertretern aus etablierten Industriestandorten erfolgte, wo sich schon früh ein proletarisches Selbstverständnis mit Parteien und Vereinen gebildet hatte.[21] So verwundert es nicht, dass auch zur Gründung der Naturfreunde in Bamberg ein Vertreter aus Nürnberg kam. Am 21. Mai 1921 wurde der Verein mit 21 (ausschließlich männlichen) Mitgliedern offiziell ins Leben gerufen. Diese Mitgliederzahl vervierfachte sich bis zum Jahresende fast auf 79 Mitglieder.[22] Schon früh, so berichtet die Chronik zum 85-jährigen Bestehen der Ortsgruppe, pflegte man Ausflüge ins überregionale Umland: In die Rhön, das Fichtelgebirge, die Hersbrucker Schweiz und in die Bayerischen Alpen[23]. Um sich den Wunsch nach einem eigenen Naturfreundehaus zu erfüllen, pachteten die Mitglieder bereits zwei Jahre nach der Gründung ein leerstehendes Haus in Wiesentfels, welches sie später kauften. Dieses wurde unter anderem mit den Spenden von Naturfreunden finanziert, die in dieser Zeit nach Amerika ausgewandert waren und in New York einen eigene Sektion der Ortsgruppe Bamberg gegründet hatten.[24] Daneben wurde von dem Geld auch ein Fond für den Neubau eines Hauses angelegt sowie ein Grundstück in Burglesau gekauft. 1933 konnte zumindest das Bankvermögen durch „rechtzeitige Verschleierung dem Zugriff der Nazis entzogen“[25] werden. Anders verhielt es sich mit Haus und Barvermögen: beides wurde beschlagnahmt. Wie auch bei anderen Ortsgruppen, veranstalteten die Bamberger Naturfreunde während der NS-Zeit kleine private Wanderungen.

Bereits 1946 gründete sich die Ortsgruppe „zur Pflege rein touristischer Tätigkeit auf breiter Grundlage ohne irgendwelche politische oder sonstige Bindung“[26] neu. Die meisten Teilnehmer der Gründungsversammlung waren schon vor dem Krieg Vereinsmitglied. Als drei Jahre nach der Wiedergründung absehbar war, dass das Burglesauer Grundstück nicht wiedererlangt werden konnte, planten die Naturfreunde den Bau eines neuen Vereinshauses, diesmal in Demmelsdorf, am Rande der Fränkischen Schweiz. Es wurde 1956 eröffnet. Während die Bamberger Naturfreunde in den Jahrzehnten nach dem Krieg mit umfangreichem Veranstaltungsprogramm, Lichtbildvorträgen und Vereinsabenden noch recht aktiv waren, es auch regen Austausch mit den Villacher, Feldkirchner und nach dem Berliner Mauerfall auch mit Zwickauer und tschechischen Naturfreunden gab, ist die Mitgliederentwicklung heute rückläufig.[27] Der stark gealterten Ortsgruppe sterben einerseits die Mitglieder weg; andererseits fehlt es an Nachwuchs und somit neuen Mitgliedern.

Aufgrund der dargestellten Entwicklungen kann gemutmaßt werden, dass nach dem großen Zuspruch in den Anfangsjahren stetig weniger Naturfreunde zum Aufenthalt im Naturfreundehaus Demmelsdorf motiviert wurden. Die Altersstruktur der Übernachtungsgäste – so die sich daraus ergebende These – passte sich entweder der der Mitglieder an. Oder es wurden andere Zielgruppen, d.h. Nicht-Mitglieder wie Schulklassen, gefunden, die die Altersstruktur der Gäste beeinflussten.

Unabhängig von lokalen Faktoren muss bedacht werden, dass das Reisen immer auch ein Spiegel der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse ist. Der Rückgang der Beherbergungsbetriebe während der Weltwirtschaftskrise in den ausgehenden 1920er Jahren, die Reisesteuer ab 1933 für Reisen nach Österreich oder auch das Reiseverbot in der DDR sind Beispiele dafür.[28]

3. Gästebücher

Nachdem ich alle acht mir vorliegenden Gästebücher grob durchgesehen hatte,[29] unterzog ich die vier Jahrgänge 1932, 1957, 1977 und 1998 einer genaueren Analyse. Das erste Buch mit der Laufzeit von 1931-1933, also bis zum Verbot der Naturfreunde, dokumentiert im Unterschied zu den anderen Gästebüchern die Übernachtungen und Aufenthalte im ehemaligen Naturfreundehaus in Wiesentfels. Den Jahrgang 1957 wählte ich, weil er das erste Kalenderjahr nach der Eröffnung des neuen Naturfreundehauses in Demmelsdorf betrifft und erstmalig nach dem Krieg die Naturfreundereisen im Bamberger Umland in ausführlicher Art und Weise dokumentiert. Die anschließenden beiden – 1977 und 1998[30] – wählte ich, weil sie sich einerseits durch die einzutragenden Inhalte von den jeweils anderen unterscheiden.[31] Andererseits bietet der Sprung um je etwa 20 Jahre (1957, 1977, 1998) einen gewissen Längsschnittvergleich.

Die Analyse von vier aus 32 kompletten Jahrgängen entbehrt der Repräsentativität. In einem solch kleinen Sample werden jahrgangsabhängige Abweichungen (zum Beispiel die Häufung bestimmter Gruppen) unter- oder überbewertet. Außerdem, und das ist eine qualitative Einschränkung, muss beachtet werden, dass die Angaben in den Büchern vermutlich mehr oder minder freiwillig gemacht wurden. Es handelt sich nicht um amtliche Verzeichnisse, auch wenn sie denen in Form und Aufbau ähneln. Inwieweit die Gästebücher buchhalterischen und meldepflichtigen Prämissen unterlagen, ist bisher unklar. Eine populärwissenschaftliche Monographie zu Gästebüchern in der Fränkischen Schweiz spricht zwar davon, dass Herbergsgeber ab 1886 verpflichtet waren, ein Verzeichnis zu führen,[32] doch muss das die Naturfreunde als Verein nicht unbedingt betroffen haben. Auch für Dietmar Sauermann war die Intention und gesetzliche Verpflichtung bei seiner Analyse von Gästebüchern im Sauerland nicht wirklich klar, weswegen er vage formulierte, ein Gästebuch diene „letztlich der Überwachung und war auch eine zeitlang polizeilich gefordert“[33]. Ob nun Wahl oder Zwang entscheidend für einen Eintrag war, finden sich in allen Büchern immer wieder Lücken, zum Beispiel wenn Frauen ihr Geburtsdatum nicht eingetragen hatten.

Solche Beobachtungen sind, wie schon andeutet, nicht rein quantitativ zu erfassen. Deswegen habe ich die untersuchten Jahrgänge auch unter qualitativen Gesichtspunkten betrachtet. Fragen nach Gruppenbildungen, nach Geschlechterverhältnissen, nach sozialer Erwünschtheit lassen sich vielleicht quantitativ erfassen, aber nur qualitativ auswerten. Die einzelnen Gästebücher wurden somit einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen und miteinander verglichen.[34]

4. Das Gästebuch 1932

Das Gästebuch von 1931 bis 1933 trägt im Gegensatz zu den anderen den Titel Hüttenbuch, was darauf hinweist, dass sich die Beherbergenden wohl näher am alpinen Wandertourismus orientierten als zu späteren Zeiten, als man vom Fremden- oder Gästebuch sprach, wie es heute in Jugendherbergen, Hotels oder Museen aufliegt[35].

Als einziges der vorliegenden Bücher hat es etwa A5-Format. Die späteren sind um etwa eine DIN-Norm größer und haben A4-Format. Auch im Inneren unterscheidet sich das Buch gegenüber anderen: So wurden die Spalten handschriftlich gezogen, die Rubriken handschriftlich angelegt. Ein Verweis auf der ersten Seite macht darauf aufmerksam, dass die Einträge im Buch einerseits nur durch das Hüttenpersonal und andererseits möglichst mit Tinte oder Tintenstift zu leisten sind. Das deutet auf eine Beglaubigung des Besucheraufkommens durch formale Autorität, hier des Hüttenpersonals, hin. Auf der ersten Seite findet sich weiterhin der Hinweis, hinter jeder Abrechnung einen Schlussstrich zu ziehen – also eine Summe zu bilden und zu dokumentieren, dass dieses Geld verrechnet wurde. Zumindest für den internen Gebrauch wurde es so als buchhalterischer Nachweis geführt. Inwieweit es allerdings behördlich zur Auflage und Rechtfertigung gereicht wurde, bleibt offen. Obschon das Buch doppelseitig geführt wurde, umfassen die einzelnen Einträge nur eine Seite. Auch dahingehend unterscheidet sich das Buch von den jüngeren, in denen beide Seiten mit Rubriken gefüllt sind. Das heißt, dass es 1932 weniger Platz für die Einträge gab, diese also kürzer gehalten sind. Die einzelnen Rubriken umfassen: Namen, Vornamen, Mitgliedschaft(-sstatus), Ort (vermutlich Wohnort), Datum (des Aufenthaltsbeginns), (die Anzahl der Übernachtungs-) Tage, (zu entrichtende) Gebühr, und schließlich ein Feld für Bemerkungen. Im Feld Bemerkung wurde vor allem der Grund für Ermäßigung oder kostenlose Übernachtung eingetragen: der Hüttendienst und arbeitslose Personen mussten keine ‚Gebühr‘, wie es in der betreffenden Rubrik heißt,[36] bezahlen. Außerdem findet sich dort häufig der Eintrag ‚Schlafsack‘, den es wohl kostenlos zu entleihen gab, da die Gebühr davon unberührt bleibt.

Vergleicht man grob die Zahl der als arbeitslos eingetragenen Gäste mit denen, die den vollen oder den ermäßigten Betrag zahlten, so ergibt sich beim ersten Blick ein Ungleichgewicht gegenüber der Arbeitslosenquote im Reich und in Bayern. Bedenkt man, dass die Naturfreunde als Arbeiterverein, besonders als Industriearbeiter, von der wirtschaftlichen Krise und Arbeitslosigkeit betroffen waren,[37] so müsste sich das auch in den Gästebüchern spiegeln. Dass dem nicht so ist, also nicht mindestens einem Drittel der Gäste als arbeitslos eingetragen sind,[38] sondern nur etwa 10 Prozent,[39] kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen liegt es auf der Hand, dass durch Arbeitslosigkeit weniger bis gar keine Mittel für Reisen zur Verfügung stehen – wofür im Übrigen auch die Statistik der Übernachtungszahlen spricht: waren 1930 noch knapp 1000, das folgende Jahr mehr als das doppelt so viele Gäste zu verzeichnen, so waren es 1932 nur mehr 313 (siehe Abb. 1)[40]. Zum anderen kann soziale Erwünschtheit die Ursache für das Nichteintragen sein. Verzeichnet wurde die Arbeitslosigkeit nur, wenn keine Übernachtungsgebühr geleistet wurde. Das heißt im Klartext: Um eventuell gefürchtete Stigmatisierung zu umgehen, konnte bezahlt oder Hüttendienst verrichtet werden. Beides sind Strategien, die arbeitslose Personen nutzen, um ihren Reisewunsch zu verwirklichen. Eine dritte Strategie ist die des „sozialen Wanderns“. Dieser Grundpfeiler der Naturfreundebewegung schont neben den ökologischen auch die finanziellen Ressourcen, indem Reisen in die nähere Umgebung, oft zu Fuß oder mit – teilweise selbst erkämpften – ermäßigten Fahrpreisen der öffentlichen Verkehrsmittel unternommen wurden. Daher ist diese Art des Reisens weniger anfällig für konjunkturelle Schieflagen und kann auch unter prekären Umständen realisiert werden.

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Abbildung 1: Eigene Graphik, Quelle: Hüttenbuch des Naturfreundehauses Wiesentfels von 1931 – 1932.

Übernachtungsdauer

Insgesamt sind 313 Übernachtungen von 258 Personen im Hüttenbuch für das Jahr 1932 verzeichnet. Das bedeutet eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 1,21 Nächten. Konkret: 204 Gäste blieben eine Nacht, 37 blieben zwei Nächte, neun Personen übernachteten dreimal am Stück im Haus und zwei viermal. Auffällig ist, dass besonders die Personen, die Hüttendienst oder Arbeitsdienst leisteten, länger blieben als ‚normale‘ Gäste. Im Durchschnitt spiegelt sich das in einer Verweildauer von 1,41 Nächten wieder: von 34 Personen, die dergleichen Dienste leisteten, übernachteten 22 einmal, zehn zwei Nächte und zwei blieben drei Nächte. Das mag eventuellen Vor- und Nachbereitungen geschuldet sein, wie den bis heute vielfach gültigen, wonach dem Hüttendienst meist Reinigung des Hauses und die Abrechnung obliegt:[41] Länger übernachteten mit 1,6 Nächten pro Person im Durchschnitt die als arbeitslos verzeichneten Gäste. Zehn der 20 Gäste blieben nur eine Nacht, acht blieben zwei und die restlichen zwei nächtigten drei Nächte am Stück. Dabei handelt es sich eigentlich um nur 12 Personen, die das Haus individuell unterschiedlich oft besuchten.

Wahrscheinlich ist, dass zwei eingetragene Personenpaare aufgrund des gleichen Nachnamens miteinander verwandt sind, also zum Beispiel als Brüder oder Vater und Sohn reisten. Exemplarisch zeigen beide, wie es trotz knapper Mittel möglich war, sich in Naturfreundehäusern aufzuhalten, nämlich entweder durch Verrichtung des Hüttendienstes oder mit dem Hüttenbucheintrag als arbeitslos. G.S.[42] übernachtete insgesamt siebenmal im Naturfreundehaus: davon zahlte er das erste Mal in diesem Jahr die reguläre Gebühr, ansonsten leistete er viermal Hüttendienst und meldete sich zweimal arbeitslos. Ähnlich verhält es sich mit P.S., der sechsmal übernachtete, dabei dreimal Hüttendienst leistete, sich einmal als arbeitslos eintrug und zwei Übernachtungen regulär bezahlte. H.W. besuchte trotz (eingetragener) Arbeitslosigkeit sechsmal im Jahr das Haus in Wiesentfels – dabei blieb er meist zwei Nächte.

Reisezeiten

Das Haus in Wiesentfels war über das Jahr nicht gleichmäßig ausgebucht. Erste kleine Gruppen von drei bis vier Personen reisten an den ersten Januarwochenenden – jeweils von Samstag auf Sonntag. Insgesamt 16 Personen verbrachten um den 19. März[43] Zeit auf der Hütte, wobei sie entweder gar nicht übernachteten oder sich bis zu drei Nächten aufhielten. Dieser Tag, ein Samstag, war darüber hinaus Josefitag. Josef, der nach der Heiligenlegende selbst Zimmermann war, gilt unter anderem als Patron der Handwerker und Arbeiter. Besonders in katholischen Regionen wurde der Tag feierlich begangen,[44] und wird es teilweise auch heute noch – besonders in ländlichen Regionen. Als gesetzlicher Feiertag wurde er in Bayern 1968 abgeschafft.[45] Ob von den Naturfreunden an diesem Wochenende allerdings Josef in kirchlicher Tradition gefeiert wurde, oder ob die zwei arbeitsfreien Tage[46] (Josefisamstag und Sonntag) unabhängig vom katholischen Brauch zum Zusammensein in Wiesentfels genutzt wurde, muss offen gelassen werden, es würde aber gut in das Bild des aus dem katholischen Milieu stammenden Arbeiters passen.[47] Darüber hinaus, so das Brauchlexikon wikibrauch.de,[48] ist Josefi nicht nur ein Lostag, an ihm wurden in der Fastenzeit auch Starkbierfeste eröffnet, wie heute noch das am Nockherberg. Es kann vermutet werden, dass die Naturfreunde, auch wenn sie den Tag selbst nicht religiös feierten, derartigen Feierlichkeiten beiwohnen konnten. Ein ähnliches Bild ergibt sich zu Maria Himmelfahrt, das in diesem Jahr auf einen Montag fiel: Von Sonntag zu Montag übernachtete eine kleinere Bamberger Gruppe von sieben Personen in dem Haus.

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Naturfreundegruppe, die aus vielen aktiven Mit-gliedern bestand,[49] am 1. Mai das Naturfreundehaus nicht aufsuchten[50] obschon der erste Mai ein Sonntag war.[51] Dies kann viele Ursachen haben. Zum einen können sich die Naturfreunde Feierlichkeiten in der Stadt angeschlossen haben,[52] zum anderen können sie bspw. durch landwirtschaftliche Tätigkeiten verhindert gewesen sein, oder sie fühlten sich selbst zu wenig dem proletarischen Milieu zugehörig. Auch zur Sonnenwende im Juni 1932 kamen die Naturfreunde nicht in Wiesentfels zusammen. Ob sie gar nicht feierten, ist unklar, denn der 21. Juni fiel auf einen Dienstag, so dass auch Feiern am Wohnort möglich gewesen sein können.

Im Verlauf des gesamten Kalenderjahres fällt weiterhin auf, dass mehrere Jugendgruppen (v.a. aus Nürnberg und Umgebung) über Ostern und Pfingsten die Übernachtungsgelegenheit in Wiesentfels nutzten. In diesen Zeiten waren mehr Gäste vermerkt, als im Haus beherbergt werden konnten. Es ist daher gut möglich, dass diese Jugendgruppen die umliegenden Wiesen zum Zelten nutzen. Abgesehen von den Monaten März und Mai, in denen eben jener Zustrom zu stattfand, sind nur mäßig viele Übernachtungen zu zählen (siehe Abb. 2).

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Abbildung 2: Eigene Graphik, Quelle: Hüttenbuch des Naturfreundehauses Wiesentfels von 1931 – 1932.

Herkunft der Gäste

Wie zu erwarten, stammen die meisten Gäste des Naturfreundehauses aus der unmittelbaren Gegend (siehe Abb. 3). Hier zeigt sich eine Konzentration im Fränkischen Raum. Doch wurden auch Gäste aus Sachsen, Hannover, Kaiserslautern und selbst aus dem Ostpreußen, aus Tilsit, in Wiesentfels aufgenommen. Es fällt auf, dass die Gäste vor allem aus Städten und Großstädten anreisten.

Herkunft der Gäste im Naturfreundehaus Wiesentfels 1932

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Abbildung 3: Graphik mittels stepmap erstellt, eingenordet. Datengrundlage: Hüttenbuch der NF Bamberg 1931-1933.

5. Drei weitere Gästebücher: die Jahrgänge 1957, 1977 und 1998

Die Rolle der Ehefrau

Die späteren Gästebücher unterscheiden sich in den vorgegebenen Rubriken entscheidend, obschon sie alle vorgedruckte Erzeugnisse sind. Im Gästebuch von 1957 waren beim Ausfüllen folgende Angaben zu machen: Laufende Nummer, Zimmernummer, Vor- und Zuname (bei Frauen auch Geburtsname)[53], Beruf (genaue Angabe), Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit, Wohnort (Straße, Hausnummer, Kreis, bei Ausländern auch Staat), Zahl der mitreisenden Kinder unter 21 Jahren, Zahl der mitreisenden Teilnehmer (bei Reisegesellschaften von über 10 Personen), Kennkarte oder Reisepass, Kraftfahrzeugkennzeichen sowie Tag der Ankunft und Abreise. Interessant an dieser Stelle ist u.a., dass in der Rubrik der Mitreisenden vermerkt ist, dass Ehefrauen und Kinder über 21 Jahren eine eigene Zeile auszufüllen haben. Dahingehend unterscheidet es sich zum fünften Gästebuch, dem des Jahres 1977: Dort findet sich eine eigene Spalte: „mit/ohne Ehefrau“. Somit erscheint 1977 die Ehefrau als „Anhängsel“ des reisenden Mannes. Eine Spalte für den „mitreisenden Ehemann“ fehlt. Mögen zeitökonomische Gründe, also geringerer Aufwand beim Eintrag, auch Grund für diese Kurzform sein gewesen sein, so erscheinen im Ergebnis die persönlichen Angaben der mitreisenden Frau als weniger wichtig. Allerdings muss eingeräumt werden, dass solche Einträge nicht nur die Frau, sondern auch den Mann stigmatisieren können, denn der gibt damit persönliche Lebensverhältnisse und fehlende Reisegesellschaft preis. Angesichts des sog. Kuppeleipargraphen (§ 180 StGB) ergibt sich noch eine weitere Leseweise: Dieser Paragraph, der die Förderung oder Tolerierung von vorehelichem Geschlechtsverkehr unter Strafe stellte, wurde in der BRD erst 1973 abgeschafft.[54] Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist, dass im untersuchten Gästebuch des Jahres 1977 sowie in dem vorhergehenden Gästebuch der Jahre 1967 bis 1974 keine näheren Angaben zur Ehefrau gefordert wurden – weder der Name noch eine Passnummer. Dadurch bleibt der Familienstand vage und es eröffneten sich Schlupflöcher für nicht verheiratete Paare. Zudem verlagert sich die rechtliche Verantwortung vom Herbergspersonal auf die Übernachtungsgäste. Inwieweit dies gewollte Strategie ist, obliegt der Interpretation.

Der nächste Reisewunsch

In dem Gästebuch des Jahres 1998 fehlt eine solche Rubrik gänzlich, auch ein Eintrag des Berufes ist nicht erforderlich. Allerdings wird nach dem Mitgliedschaftsstatus sowie nach dem nächsten Reiseziel gefragt. Hier liest man dann aber eher Traumreiseziele als die folgende Wanderstation. Beispielsweise wurde als nächstes Reiseziel Ägypten, Feuerland, Venezuela und Vietnam angegeben. Dies verfehlt den ursprünglichen Zweck der Rubrik, nämlich Aufschluss über einen evtl. Vermissten und Verunglückten zu erhalten. Das zeugt einerseits davon, dass das Bewusstsein für Vermisstenfahndung über den Eintrag in den Gästebüchern nicht (mehr) ausgeprägt ist. Anderseits offenbart sich hier natürlich auch eine Art der sozialen Erwünschtheit: Auch wer in sogenannten globalisierten Zeiten das Wochenende im Naturfreundehaus Demmelsdorf verbringt, lässt zumindest seine Träume in die Ferne schweifen. Dieser Eintrag im Gästebuch regt vielleicht zu Nachfragen, wenn nicht gar zu Neid an. Zu fragen wäre darüber hinaus, warum für diese Rubrik im Gästebuch von 1932 keine Notwenigkeit bestand, oder ob es andere Mittel und Wege gab, den Reiseweg zu dokumentieren.

Das Alter der Gäste

Eine andere Auffälligkeit in den untersuchten Gästebüchern ist die Altersstruktur (siehe Abb. 4-6). Leider fehlen, wie oben zu entnehmen, im ersten Buch Angaben darüber, da das Geburtsdatum nicht abgefragt wurde. Besonders zwischen 1957 und den beiden späten Jahrgängen zeigen sich große Unterschiede: Waren es 1957 noch überwiegend junge Erwachsene (21-30 Jahre), die bei den Naturfreunden übernachteten – mit 111 von 408 nämlich ein gutes Viertel –, so konnten 20 Jahre später nur knapp 10 Prozent (38 von 404 Gästen), noch mal 11 Jahre später etwa 12 Prozent (25 von 194 Gästen) verzeichnet werden.

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Abbildung 4: Eigene Graphik, Datenbasis: Gästebuch (2) von 1956 – 1959. Diverse Gruppenreisen bleiben darin unberücksichtigt, da das genaue Alter der TeilnehmerInnen nicht feststellbar war. Es handelt sich dabei um etwa 80 Personen.

Noch gravierender zeigt sich der Unterschied in der Kohorte der bis 20-Jährigen. Statistisch exakt ist diese Gruppe nur im Jahre 1957 zu betrachten, denn in den folgenden beiden Jahrgängen erhielten die Kinder oft keinen eigenen Eintrag in einer eigenen Zeile. Sie wurden als Mitreisende einfach in ihrer Anzahl hinter die bevollmächtigte Person geschrieben. Im Jahre 1957 wurden nur 11 Kinder bis 15 Jahren einzeln verzeichnet[55] – es besuchten also wenige Kinder das Haus. Die überwiegende Mehrheit der Altersgruppe bis 20 waren die 91 Heranwachsenden über 15 Jahren. Sie stellten fast ein Viertel aller Gäste. Darunter waren beispielsweise zwei kleine Gruppen, die im März des Jahres reisten. Die eine bestand aus sechs jungen Männern im Alter von 17 bis 19 Jahren, die andere aus fünf jungen Männern zwischen 18 und 22 Jahren. Letztere besuchte das Haus in der gleichen Kombination noch mal im August.

Im Jahr 1977 sind lediglich vier Kinder bis 15 Jahren und 34 Heranwachsende zwischen 16 und 20 Jahren in eigenen Zeilen verzeichnet, die restlichen Gäste der Kohorte sind mitreisende Kinder besonders von 36- bis 45-jährigen. Das genaue Alter der Kinder ist nicht festzustellen, aber es fällt auf, dass sich weniger Jugendgruppen ohne ältere Begleitung und/oder Erziehungsberechtigten im Naturfreundehaus aufhielten.

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Abbildung 5: Eigene Graphik, Achsenbeschriftung wie Abb. 4, Datenbasis: Gästebuch (5) von 1975 – 1985. Diverse Gruppenreisen bleiben darin unberücksichtigt, da das genaue Alter der TeilnehmerInnen nicht feststellbar war. Es handelt sich dabei um etwa 135 Personen.

Noch eindeutiger wird das Bild im Jahre 1998: Dort sind 58 Kinder bis 15 Jahre und nur 12 Heranwachsende in Alter von 16 bis 20 verzeichnet. Allerdings fehlt die Spalte der mitreisenden Kinder. Somit übernachteten noch weniger junge Alleinreisende im Naturfreundehaus. In diesem Lichte erscheinen Naturfreundehäuser oder der Aufenthalt „in der Natur“ nicht attraktiv für diese Altersgruppe, obschon sie durch die geringen Übernachtungskosten geradezu prädestiniert dafür wirken. Verallgemeinert man diese Entwicklung über die drei Bücher hinweg, lässt sich mangelndes Bewusstsein für die Naturfreunde, evtl. fehlende Jugendarbeit und die defizitäre Anbindung ehemaliger Mitglieder über das Kindesalter hinaus vermuten. Über die Jahre zeigt sich, dass die ungenügende Einbindung der Jugend den Besucherrückgang in Demmelsdorf kontinuierlich verstärkt hat. Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass die allein reisenden Jugendlichen der 50er Jahren in den 70ern als Eltern mit eigenen Kindern das Haus noch besuchten. In dieser Zeit nahm die Zahl der allein reisenden Jugendlichen aber schon ab. Dabei galten doch gerade diese jungen Menschen in den ersten Jahrzehnten der Naturfreundebewegung als Pioniere, die es schafften, die Wandertradition über ihre eigene Generation hinaus zu tradieren.

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Abbildung 6: Eigene Graphik, Achsenbeschriftung wie Abb. 4, Datenbasis: Gästebuch (8) von 1997 – 2002. Diverse Gruppenreisen bleiben darin unberücksichtigt, da das genaue Alter der TeilnehmerInnen nicht feststellbar war. Es handelt sich dabei um etwa 90 Personen.

Waren die 31 bis 45-jährigen 1957 vergleichsweise wenig im Gästebuch der Naturfreunde vertreten, stellten sie 1977 und 1998 den höchsten Anteil der Übernachtenden. Vielleicht waren es die geringen Unterkunftskosten, oder auch die Verheißung von Ruhe, Naturerfahrung und Freiraum, die anziehend auf diese Altersklasse, die meist mit Kindern anreiste, wirkte.

6. Zusammenfassung

Die untersuchten Gästebücher der Naturfreunde Bambergs haben gezeigt, welches Erkenntnispotential in dieser Quellengattung steckt. Zwar unterschieden sich die Bücher in ihrem qualitativen Inhalt, doch konnte ein Pool quantitativer Daten gewonnen werden, der es ermöglicht, das Reiseverhalten der Naturfreunde bzw. ihrer Gäste zu erschließen.

Das erste Bamberger Naturfreundehaus in Wiesentfels war im Jahre 1932 weder für die Mitglieder des Ortsvereins noch für andere Gäste ein Ort andauernder Sommerfrische.[56] So waren im Vergleich zum Vorjahr Gesamtgästezahl und durchschnittliche Übernachtungsdauer stark gesunken. Scherpunkt war vornehmlich die Nacht von Samstag auf Sonntag. Abgesehen vom arbeitsfreien Josefitag, Ostern und Maria Himmelfahrt übernachteten die Naturfreunde Bamberg nicht in größeren Gruppen in Wiesentfels. Den Ersten Mai und die Sonnenwende – beides Feste, die gern mit den Naturfreunden assoziiert werden – verbrachten die Naturfreunde nicht im Haus. Obschon zu Ostern und Pfingsten Jugendgruppen das Haus besuchten, war es selbst in den Sommermonaten nur mäßig belegt. Dies mag Wirkung der mehr als angespannten wirtschaftlichen Lage gewesen sein. Dass arbeitslose Personen dennoch zum Naturfreundehaus reisen konnten, lag vornehmlich am kostensparenden Prinzip des „sozialen Wanderns“ und der Solidarität der Naturfreunde gegenüber Arbeitslosen (kostenfreie Übernachtungen oder Ableisten von Hüttendienst). Sie blieben im Durchschnitt auch länger im Haus als zahlende Gäste. Die Herkunft der Gäste konzentrierte sich auf den fränkischen Raum, und unter den Personen aus weit entfernt liegenden Regionen dominierte die Stadtbevölkerung.

Die Gästebücher der Jahre 1957, 1977 und 1998 offenbaren zeitspezifischen Umgang der Geschlechter, sich verändernde Reisewünsche sowie eine Altersverschiebung der Gäste. Besonders das Jahr 1977 wirft die Frage auf, inwieweit die Ehefrau als „Anhängsel“ des Mannes gesehen wurde; allerdings könnte dies auch als Strategie gesehen werden, den sogenannten Kuppeleiparagraphen zu umgehen. In dem Gästebuch von 1998 wird deutlich, dass in unsteten und globalisierten Zeiten der angegebene nächste Reisewunsch in die Ferne schweifte und weniger der Realität, schon gar nicht dem nächsten Wanderziel, entsprochen hat. Die Altersstruktur der Gäste verschob sich erheblich. In den direkten Nachkriegsjahren waren es vornehmlich Heranwachsende, die eine Form des Tourismus als Alleinreisende pflegten, heute sind dies zunehmend ältere Menschen. Kinder und Jugendliche kamen 1998 entweder mit ihren Eltern in das Naturfreundehaus oder über organisierten Tourismus, z.B. Schulausflüge.

Inwieweit die Veränderungen in der Besucherstruktur in Bamberg damit annähernd denen anderer vergleichbarer Naturfreundehäuser entspricht, muss aber weiteren und vergleichenden Untersuchungen vorbehalten bleiben.

Stefanie Kießling

Chopinstraße 63

D-09119 Chemnitz

kiessling_stefanie@arcor.de


[1] Vgl. Tully, Claus J. und Dirk Baier: Mobiler Alltag. Mobilität zwischen Option und Zwang – Vom Zusammenspiel biographischer Motive und sozialer Vorgaben. Wiesbaden 2006, S. 49ff.

[2] Mit Konrad Köstlin soll Massentourismus hier allerdings nicht nur kulturkritisch als „Landschaftsfresser und Kulturzerstörung“, wie sie von neuen Reise-Eliten unter einer neuen Umweltethik propagiert werden, sondern auch als „soziale und kulturelle Errungenschaft“ gesehen werden. Köstlin, Konrad: Wir sind alle Touristen – Gegenwelten als Alltag. In: Cantauw, Christiane (Hrsg.): Arbeit, Freizeit, Reisen. Die feinen Unterschiede im Alltag. 3. Arbeitstagung der dgv-Kommission Tourismusforschung vom 23.bis 25. März 1994. Münster, New York 1995, S. 1–12, hier S. 5.

[3] Damit ist nicht nur Wandern an sich, sondern auch die Erweiterung des Wissens über die Natur gemeint. Vgl. Brinkschmidt, Christian: Das Naturverständnis der Arbeiterbewegung am Beispiel der Naturfreundebewegung. Dissertation. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main, 1998, S. 23.

[4] Vgl. bspw. Zimmer, Jochen (Hrsg.): Mit uns zieht die neue Zeit. Die Naturfreunde. Zur Geschichte eines alternativen Verbandes in der Arbeiterkulturbewegung. Köln 1984; Erdmann, Wulf/Jochen Zimmer (Hrsg.): Hundert Jahre Kampf um die freie Natur. Illustrierte Geschichte der Naturfreunde. Essen 1991; Lorenz, Klaus-Peter (Hrsg.): Politische Landschaft – eine andere Sicht auf die natürliche Ordnung. Duisburg 2002.

[5] Gyr, Ueli: Kultur für Touristen und Touristenkultur. Plädoyer für eine qualitative Analyse in der Reiseforschung. In: Kramer, Dieter und Ronald Lutz (Hrsg.): Reisen und Alltag. Beiträge zur kulturwissenschaftlichen Tourismusforschung. (Schriftenreihe des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Frankfurt am Main 39). Frankfurt am Main 1992, S. 19–39, hier S. 20.

[6] Warnecken, Bernd Jürgen: Arbeiterkultur, Arbeiterkulturen, Arbeitskultur. Eine Aktualisierung [des Beitrags von Peter Assion im selben Band]. In: Brednich, Rolf. W. (Hrsg.): Grundriß der Volkskunde. Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. 3. überarb. und erw. Aufl., Berlin 2001, S. 255-289, hier S. 283.

[7] Gyr, Ueli: Tourismus und Torismusforschung. In: Brednich, Rolf. W. (Hrsg.): Grundriß der Volkskunde. Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. 3. überarb. und erw. Aufl., Berlin 2001, S. 469-490, hier S. 473.

[8] Genaue statistische Daten z.B. bei Hachtmann, Rüdiger: Tourismus-Geschichte. Göttingen 2007, S. 99f.

[9] Zu sozialmoralischen Milieus, wie hier das sozialdemokratische und folgend das katholisches verstanden werden soll, siehe: Lepsius, Mario Rainer: Parteiensysteme und Sozialstruktur: Zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft. In: Ritter, Gerhard A. (Hrsg.): Deutsche Parteien vor 1918 (= Neue wissenschaftliche Bibliothek Geschichte 61). Köln 1973, S. 53-80. Lepsius definiert diese Milieus als „soziale Einheiten, die durch eine Koinzidenz mehrerer Strukturdimensionen wie Religion, regionale Tradition, wirtschaftliche Lage, kulturelle Orientierung, schichtspezifische Zusammensetzung der intermediären Gruppen gebildet werden“. Ebd., S. 68.

[10] Vgl. Brinkschmidt 1998, S. 19.

[11] Assion, Peter: Arbeiterforschung. Mit einer Aktualisierung von Bernd Jürgen Warneken. In: Brednich, Rolf. W. (Hrsg.): Grundriß der Volkskunde. Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. 3. überarb. und erw. Aufl., Berlin 2001, S. 255-289, hier S. 272.

[12] Vgl. Hachtmann 2007, S. 101-105.

[13] Köstlin, Konrad: Heimat und Geschwindigkeit oder: die wohlfeile Rede von der Kompensation. In: Bimmer, Andreas et al. (Hrsg.): Volkskundliche Tableaus. Eine Festschrift für Martin Scharfe zum 65. Geburtstag von Weggefährten, Freunden und Schülern. Münster u.a. 2001, S. 29-42, hier S. 42.

[14] Es bleibt abzuwarten, ob Peter F.N. Hörz neue Gedanken zu diesem Thema anbieten kann. Sein im Druck befindlicher Aufsatz deutet dies zumindest an. Vgl. Hörz, Peter F.N.: Fluchtweg ,Volkskultur‘ Oder; Weshalb es Sinn macht, den Gedanken der „Kompensation“ nicht ad acta zu legen. In: Eggmann, Sabine und Karoline Oehme (Hrsg.): Doing Society. Basel, Münster 2011 (im Druck).

[15] Hachtmann 2007, S. 99.

[16] Hachtmann 2007, S. 98.

[17] Hachtmann 2007, S. 99. Allerdings soll die oberschichtliche Vorbildfunktion an dieser Stelle nicht verneint werden, sondern in ihren Ausmaßen und ihrer Reichweite allenfalls relativiert und abgemildert werden.

[18] Knoll 2006, S. 118.

[19] Eine umfassende Geschichte der Naturfreunde Bamberg steht aus. Allerdings kann man darauf hoffen, dass mit der beabsichtigten Abgabe des Aktenbestandes der Naturfreunde Bamberg an das Stadtarchiv Bamberg einer wissenschaftlichen Bearbeitung der Weg bereitet wird. Die hier verwendeten Informationen beziehe ich daher vor allem aus der 2006 erschienenen Chronik.

[20] Vgl. Link 2005, S. 29ff., 73ff., 91-108, 123f., 142-149, 165ff., 184-191, 213f., 222-225, 255-264, 301-308.Dort auch zur Unterscheidung zwischen demokratischen, liberalen, katholischen und sozialdemokratischen Vereinen.

[21] Vgl. Link 2005, S. 184-191, 260-265.

[22] Vgl. 50 Jahre Naturfreundehaus Bamberg 1956-2006, 85 Jahre Naturfreunde Ortsgruppe Bamberg 1921-2006. Bamberg 2006, S. 9.

[23] Vgl. 50 Jahre Naturfreundehaus Bamberg 2006, S. 10.

[24] Vgl. 50 Jahre Naturfreundehaus Bamberg 2006, S. 10ff.

[25] 50 Jahre Naturfreundehaus Bamberg 2006, S. 13.

[26] 50 Jahre Naturfreundehaus Bamberg 2006, S. 15.

[27] 50 Jahre Naturfreundehaus Bamberg 2006, S. 18-25.

[28] Vgl. Knoll 2006, S. 132.

[29] Bei meiner Gewährsperson, Herrn Jürgen Wagner, dem Vorsitzenden der Ortsgruppe Bamberg, der nach dem Umbau des Naturfreundehauses die verbliebenen Akten des Vereins sicherte und nun in seinem Privatbesitz aufbewahrt, konnte ich mir alle vorhandenen acht Gästebücher entleihen. Dies sind im Einzelnen: (1) 12.09.1931 – 18.04.1933 (Aufschrift: Hüttenbuch des Naturfreundehaus zu Wiesentfels, Ortsgruppe Bamberg); (2) 20.10.1956 – 24.05.1959 (Aufschrift: Buch 1, Fremdenbuch Naturfreundehaus Bbg in Demmelsdorf); (3) 23.05.1959 – 22.07.1967 (Aufschrift: Buch 2, Fremdenbuch für die Zeit vom 23.05.1959 bis / (Nr. 978 – /), Stempel); (4) 23.07.1967 – 08.12.1974 (Aufschrift: Buch 3, Fremdenbuch der T.V.D.N. Bbg. e.V.); (5) 30.12.1975 – 04.08.1985 (Aufschrift: Fremdenbuch); (6) 03.08.1985 – 11.08.1991 (Aufschrift: Gästebuch der Naturfreunde); (7) 17.08.1991 – 27.07.1996 (Aufschrift: Gästebuch der Naturfreunde); (8) 31.05.1997 – 02.10.2002 (Aufschrift: Gästebuch der Naturfreunde). Es zeigen sich somit Lücken in der Dokumentation der Übernachtungen. Die erste zwischen 1933-1956 lässt sich mit dem Verbot der Naturfreunde ab 1933, dem damit verbundenen Verlust des Hauses in Wiesentfels und der Fertigstellung des neuen Hauses erst 1956 erklären. Für das Fehlen der Bände zwischen Dezember 1974 bis Dezember 1975 und Juli 1996 bis Mai des folgenden Jahres gibt es keine offensichtliche Erklärung. Entweder sind die Bücher abhandengekommen, oder, wofür mehr spricht, wurde in beiden Jahren kein Gästebuch geführt. Betrachtet man die Laufzeiten der existierenden Bücher, fällt auf, dass ein Buch fünf bis zehn Jahre umfassen kann. Der relativ kurze Zeitraum von einem Jahr wird kein ganzes Buch gefüllt haben. Es kann vermutet werden, dass in diesen Zeiten die Bücher schlicht nicht auflagen.

[30] Da im Jahr 1997 erst ab Mai ein Gästebuch geführt wurde, wählte ich das Folgejahr. Vgl. Fußnote 29.

[31] Ausgenommen des ersten Buchs, sind alle vorgedruckt. Allerdings unterscheiden sich die einzutragenden Inhalte der einzelnen Bücher (die Bücher zwei und drei, vier und fünf, sowie sechs bis acht sind jedoch vom selben Format). Um diesen Unterschied aufzunehmen, wurde neben dem Gästebuch zwei (1956 bis 1959) eines aus der zweiten, sich von der ersten unterscheidenden Serie, aufgenommen (Buch fünf mit der Laufzeit 1975 bis 1985) sowie eines aus der letzten Serie (Buch acht mit der Laufzeit 1997 bis 2002).

[32] Vgl. Heller, Ehrenfried: Gästebücher in der Fränkischen Schweiz. Erlangen 1988, S. 224.

[33] Sauermann, Dietmar: Das Bürgertum im Spiegel von Gästebüchern des Sauerlands. In: Kramer, Dieter und Ronald Lutz (Hrsg.): Reisen und Alltag. Beiträge zur kulturwissenschaftlichen Tourismusforschung. (Schriftenreihe des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Frankfurt am Main 39). Frankfurt am Main 1992, S. 81-99, hier S. 81.

[34] Natürlich hätten Vergleiche mit ähnlichen Forschungen diesen Beitrag abgerundet, doch fehlen solche. Weder konnte ich mein methodisches Vorgehen absichern, noch meine Ergebnisse einordnen. Die wissenschaftliche Beschäftigung in diesem Themenbereich erfolgt, wenn überhaupt, auf Grundlage von Gästebüchern, die eine Art Poesiealbum darstellen, in die also Verse geschrieben oder Bilder gemalt werden. Freilich sagen persönliche Eintragungen in Gästebüchern mehr über das individuelle Reiseverhalten, die Reisewahrnehmung und -bewertung als rein quantitative Angaben aus. Werden diese aber quer gelesen, können sie ähnlich aufschlussreich sein, was im Folgenden zu zeigen sein wird.

[35] Siehe: vorhergehende Fußnote.

[36] Vielleicht ist es geradezu symptomatisch, dass hier eine Übernachtungsgebühr statt ein Preis für die Übernachtung verlangt wird. Zeitgenössische Lexika definieren den Unterschied zwischen Preis und Gebühr dahingehend, dass der Preis sich als Gegenwert nach Angebot und Nachfrage richtet, während die Gebühr zum Zwecke voller oder teilweiser Kostendeckung erhoben wird. Vgl. o.A.: Preis. In: Meyers Lexikon Bd. 9, Leipzig 71928, Sp. 1228f. sowie o.A.: Gebühr. In: Meyers Lexikon Bd. 4, Leipzig 71926, Sp. 1521f.

[37] Vgl. Maier, Dieter G.: Arbeitslosigkeit (Weimarer Republik). In: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44380 (Stand, 10.06.2011).

[38] Die amtliche Arbeitslosenquote des Jahres 1932 auf Reichsgebiet liegt bei etwa 30 Prozent. Vgl. Sturm, Reinhart: Weimarer Republik. (=Informationen zur politischen Bildung, Heft 261). Überarb. Neuauflage Bonn 2003. Bayern war zwar etwas weniger von der Massenarbeitslosigkeit betroffen, dennoch lag sie besonders in den Industriestandorten und unter Arbeitern hoch.

[39] Von insgesamt 313 Übernachtungen im Jahr 1932 tragen 33 den Vermerk arbeitslos.

[40] Die Daten der Abbildung 1 stammen aus einem im Gästebuch liegenden, mit Schreibmaschine aufgenommen Papier. Die jährlichen Auflistungen reichen von 1924 bis 1931. Dabei ist festzustellen, dass sich zwischen 1924 bis 1929 etwa 500 Gäste im Haus einfanden, sich diese Zahl 1930 fast verdoppelte 1931 wiederum mehr als verdoppelte (2423). Ob diese Zahlen so stimmen, muss offen gelassen werden.

[41] Vgl. Eintragung auf der ersten Seite des Hüttenbuches.

[42] Auf die Nennung des vollständigen Namens verzichte ich und orientiere mich am bayerischen Archivgesetz (BayArchivG), Art. 10, Abs. 3, http://by.juris.de/by/ArchivG_BY_Art10.htm (Stand: 28.06.2011). Dort wird Archivgut erst 10 Jahre nach dem Tod bzw. 90 Jahre nach der Geburt der (natürlichen) Person zu Benutzung freigeben Da diese Schutzfristen hier zum einen nur in Einzelfällen festzustellen und einzuhalten ist, zum anderen bei einer Vielzahl der betrachteten Personen noch nicht abgelaufen ist, werden die Namen anonymisiert.

[43] Im Hüttenbuch ist der Monat zwar nicht genannt. Anhand der vorhergehenden und nachfolgenden Einträge kann es aber nur der Februar oder März sein. Da der 19. Februar in diesem Jahr allerdings ein Freitag und kein Feiertag war, ist davon auszugehen, dass an diesem Tag nicht alle Personen hätten reisen können und somit vermutlich der 19. März das eingetragene Reisedatum ist.

[44] Vgl. Schauber, Vera und Hanns Michael Schindler: Die Heiligen und Namenspatrone im Jahreslauf. München, Zürich 1985, S. 134-137. Ferner: Keller, Hiltgart L.: Joseph. In: Reclams Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst. 6. durchges. Ausg. Ditzingen 1987, S. 333.

[45] Vgl. Die Sonderausstellung „Josef, Säbbä, Fini. Geschichten um einen Namen“ des Historischen Museums Bamberg vom 20. März bis 7. November 2010. Vgl. Museen der Stadt Bamberg: Josef, Säbbä, Fini. Geschichten um einen Namen (=Flyer zur Ausstellung), https://www.joseph-stiftung.de/sys/tools/download.php?selected_file=sys/data/modul_downloads/1270550704__Flyer%20Josef-Ausstellung.pdf (Stand: 28.06.2011). Außerdem: BR-Online: Feste und Feiertage. Tag des keuschen Arbeiters, http://www.br-online.de/bayern/feste-und-feiern/fest-und-feiertage-DID1207729138899/feiertage-josefi-ostern-ID671202495702503924.xml (Stand: 28.06.2011).

[46] Der Samstag war in der Weimarer Republik noch weitgehend ein normaler Arbeitstag. Vgl. Kluge, Ulrich: Die Weimarer Republik. Paderborn 2006, S. 145.

[47] In der frühen Sozialdemokratie wurden zwar auch den Märzgefallen von 1848 gedacht, doch nach Stephan Link verfiel der Brauch in Bamberg nach der Jahrhundertwende zusehends. Vgl. Link 2005, S. 260.

[48] Brauchwiki: Josefi (Josefstag), geprüfte Version, http://www.brauchwiki.de/index.php?title=

Josefi_%28Josefstag%29&oldid=1765 (Stand: 28.06.2011).

[49] Das ergibt sich aus den angegebenen Namen. Viele hatten in dieser Zeit Funktionen innerhalb der Naturfreunde inne oder waren Verwandte (Ehefrau, Kinder).

[50] An diesem Wochenende hielt sich nur eine kleine Gruppe, bestehend aus einem Bamberger und zwei Sachsen, in Wiesentfels auf.

[51] Zum gesetzlichen Feiertag wurde er ein Jahr später als „Tag der nationalen Arbeit“. Zur Geschichte des Tages und seiner propagandistischen Umfunktionierung während der NS-Herrschaft siehe bspw.: Lauber, Heinz: Erster Mai unter dem Hakenkreuz. Hitler „Machtergreifung“ in Arbeiterschaft und in Betrieben. Gerlingen 1983. Oder: Trebes, Norbert: Der Erste Mai und die frühe Arbeiterbewegung im Frankenwald. Leutenberg 2002.

[52] Die Ersten Mai-Feiern waren lange Zeit entweder ganz verboten oder unterlagen strengen Auflagen. Ab der Jahrhundertwende lockerte sich dies aber vielerorts. Vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): Der 1. Mai in München – Geschichte und Gegenwart, http://www.dgb-muenchen.de/erstermai/ (Stand: 28.06.2011). In Bamberg wurde der 1. Mai bis 1914 regelmäßig am folgenden Sonntag gefeiert, was das Provokante für Arbeitergeber, Behörden und Bürgertum abgemilderte. So kann davon ausgegangen werden, dass der Tag auch in den folgenden Jahren feierlich begangen wurde. Vgl. Link 2005, S. 259f.

[53] Die Angaben in Klammern finden sich so auch im Gästebuch als Kleingedrucktes.

[54] Vgl. Burkart, Günter: Familiensoziologie. Konstanz 2008, S. 279.

[55] Da keine genauen Angaben vorliegen, wie das Buch zu führen war, steht nicht fest, ob zum Beispiel mitreisenden Kinder nicht verzeichnet werden mussten, oder ob das nur im Ausnahmefall erfolgte.

[56] Vgl. Göttsch, Silke: Sommerfrische. Zur Etablierung einer Gegenwelt am Ende des 19. Jahrhunderts. In: SAV 98 (2002), S 9-15. Göttsch identifiziert die Sommerfrische als eine bürgerliche Reisepraxis. Leider werden in dem Aufsatz weder Unterschiede noch Gemeinsamkeiten bzgl. proletarischem und bürgerlichem Reisen diskutiert. Großstadtflucht und angestrebte Naturerfahrung werden als bürgerliche Exklusivität dargestellt.

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